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Hegel und Darwin
Rudi Zimmerman
Zusammenfassung
Hegel und Darwin haben Entwickungstheorien veröffentlicht. Hegel sieht im Ablauf der menschlichen Geschichte eine Materialisierung des Weltgeistes. Darwin geht von dem Primat der Materie aus, die in einem evolutionären Prozess Pflanzen Pflanzen, Tiere und den Menschen hervorbringt, so dass sich menschlicher Geist im Lauf der Zeit aus Materie entwickelt. Die PhilS (Philosophie lebender Systeme) wendet Hegel auf Darwin an und entdeckt in der Evolution die Entwicklungsprinzipien der Negation und Negation der Negation Hegels. Konkurrenz von Tierarten und von menschlichen Gemeinschaften (Staaten, also lebenden Systemen höherer Ordnung) sind damit Wettstreit um die besseren Idee. Evolution verläuft nicht richtungslos. So hat sich Zivilisation durch die Ergänzung der intrazellulären Datenspeicherung durch die extrazelluläre Datenspeicherung außerhalb der lebenden Systeme der Ordnungshöhe Individuum entwickelt, wodurch die Geschwindigkeit der Ausbreitung und Entwicklung von Information erheblich zugenommen hat.
Bereits Hegel (1770-1831) erkannte grundsätzlich das Entwicklungsprinzip und betrachtete den Ablauf der Geschichte als Selbstentfaltung eines Weltgeistes. Wahrnehmbare Veränderungen auf der Erde wären somit Materialisierungen eines sich entfaltenden Geistigen.
Darwin (1809-1882), der seine Evolutionstheorie zeitlich nach Hegel veröffentlichte, hat dabei die Philosophie Hegels nicht berücksichtigt, obwohl beide Denksysteme den Entwicklungsgedanken gemeinsam haben. Hegel sieht im Weltgeschehen eine dialektischer Entfaltung des Weltgeistes in These Antithese und Synthese oder auch in Form einer Negation des Bestehenden und einer darauffolgenden Negation der Negation. Während Hegel dabei die Entfaltung des Geistigen im Auge hat, beschreibt Darwin die Entwicklung des Materiellen in seiner lebenden Erscheinungsweise als Pflanzen- und Tierarten.
Die Philosophie lebender Systeme (=PhilS) spricht von nichtlebenden und lebenden Systemen verschiedener Organisationshöhe, nämlich Individuum und Art. So ist das Wassermolekül sozusagen das Individuum und das Wasser mit seinen Aggregatzuständen und Eigenschaften (Verhaltensweisen) die Art, der einzelne Löwe das Individuum als Teil (=Element) seiner Art und das menschliche Individuum Element der Menschheit als Art. Da die Menschheit sich allerdings in verschiedene Sprachgemeinschaften trennt, ist das einzelne Individuum als System Mensch Element seines Systems Staat und gegebenenfalls seiner Religionsgemeinschaft – falls es sein Hirn zu so etwas Irrationalem wie dem religiösen Glauben benutzt anstatt zum rationalen Denken. Das Individuum hat jedoch die Möglichkeit, das Geistige auch rational zu entfalten und tut dies in den Wissenschaften und deren Anwendung, der Technik, so dass sich nach Ansicht der PhilS die von Darwin erkannten Entwicklungsprinzipien von Überproduktion und Seletion auch hier und in der Entwickung der Wirtschaft zeigen. Die von Darwin erkannten evolutionären Vorgänge sind nach Ansicht der PhilS problemlos mit den Vorstellungen Hegels vereinbar, was hier gezeigt werden soll.
Evolution als Prozess von Negation und Negation der Negation
Die Entwicklung lebender Systeme der Systemhöhe Art können im Fall der Entstehung neuer Energiegewinnungsweisen als eine tatsächliche Negation der vorhegenden Erscheinungsform lebender System beschrieben werden. Am Beginn lebender Systeme stehen die chlorophyllhaltigen Einzeller, die mittels Chloroophyll, Kohlendoixid und Wasser eine Umkehr eine Negation der Entropie zustande bekommen, indem sie nun Energie in Form von Zucker speichern und in den Dienst eigener Zwecke stellen. Diese eigene Zweck ist die Vermehrung der lebenden Zelleinheiten. Diese bilden höhere Pflanzen, die ihre Energie auf dieselbe Weise gewinnen, bis lebende Systeme auftreten, die ihrerseits das Pflanzenreich zur Energiegwinnung nutzen und in Ihren Zweck stellen, nämlich der aktiven Fortbewegung nach eigenem Entschluss. Das Fressen der Pflanzen oder deren Bestanddteile stellt eine tatsächliche Negation der Idee des Pflanzlichen dar.
Diese Idee des pflanzlichen Lebens besteht darin, Energie aus dem Sonnenlicht zu gewinnen und zu speichern. Und diese Idee ist genetisch gespeichert und entfaltet sich durch die Vermehrung der pflanzlichen Individuen. Die Fortpflanzung (ungeschlechtlich und geschlechtlich) stellt die Verbreitung dieser Idee im Tatsächlichen, Gegenständlichen, Materiellen dar. Es handelt sich um die Verwirklichung einer Idee im Tatsächlichen. Die Negation dieser Idee durch die pflanzenfressenden Tiere, die sich mit Hilfe der aufgenommenen Energie im Reich des Materiellen nach eigenen Entschlüssen in jede beliebige Richtungen bewegen können, stellt die Negation der Pflanzenidee dar, sich lediglich durch Vermehrung ausbreiten zu können. Bereits diese Vermehrung der Pflanzen stellt eine Selbstverwirklichung dar, weil jede Pflanzenart bestrebt ist, ihre eigene Variation der Idee, Energie aus Sonnenlicht zu gewinnen, mit Hilfe ihrer „Fortpflanzung“ im Sinne der Biologie über den gesamten ihr zur Verfügung stehen Raum der Erde zu verbreiten. Die pflanzenfressenden Tiere verbreiten Ihre Idee der eigenständigen Bewegung, die jederzeit in jede beliebige Richtung geändert werden kann, nun nicht nur durch Fortpflanzung, sondern durch die Bewegung der Individuen, die durch ein Nervensystem gesteuert ist. Hier ist eine neue Freiheit im Tatsächlichen, Materiellen realisiert worden. Materie, aus der auch Tiere bestehen, kann sich nun als indivuelles System, dem System Individuum, bewegen, also sich jederzeit in jede beliebige Richtung bewegen oder auch stehen bleiben. Insgesamt stellt bereits diese Bewegungsform lebender Systeme eine Negation reiner materieller „Individuen“, also begrenzter Körper dar, die dem Gesetz der Trägheit unterliegen. Ein materieller Körper bewegt sich ewig mit der gleichen Geschwindigkeit in eine Richtung, wenn er nicht durch Einwirkung äußerer Kräfte daran gehindert wird, wie Newton erkannt hat. Die gleichförmige Bewegung stellt die Verkörperung der Idee der Materiekörper dar. Oder genauer: die gleichförmige Bewegung ist die Realisierung der Idee der Materie.
Der pflanzliche Einzeller ist nicht nur die Realisierung der Idee, Energie aus Sonnenlicht zu gewinnen, sondern die Energie wird zur Realisierung einer weiteren Idee verwendet, nämlich der Idee der Vermehrung. Vermehrung stellt ihrerseits eine Bewegung dar. Während reine Materie sich als Körper lediglich gleichförmig bewegt, geht die Vermehrung des Einzellers in alle Richtungen der Ebene, sie ist also Bewegung im zweidimensionalen Raum. Das lebende System Einzeller ist also die Realisierung der Idee, sich im zweidimensionalen Raum in jede Richtung bewegen zu können.
Ein pflanzlicher mehrzelliger materieller Körper kann sich Bildung neuer gleichartiger Individuen (Fortpflanzung) ebenfalls über den gesamten Raum der Erde ausbreiten und sich zusätzlich durch Wachstum in alle Richtungen ausbreiten. Hier, im pflanzlichen Mehrzeller finden wir 2 neue Ideen verwirklicht, und dies auf zwei Ebenen der Systemhöhe. Das lebende System höherer Ordnnug, die Art, breitet sich wie der Einzeller in der Ebene aus, aber die Pflanze als Individuum bewegt sich durch Wachstum auch nach oben (Blätter) und unten (Wurzeln). Die Idee der Bewegung hat sich eine weitere Realisierungsmöglichkeit erschlossen.
Zusätzlich ist der Mehrzeller nämlich auch die Negation des Einzellers und die Verwirlichung der Idee, dass der Zusammenschluss mehrerer gleichartiger Einheiten (Zellen) etwas Neuartiges hervorbringt. Dabei verzichtet die Zelle jedoch auf die Realisierung eigener Bewegungsideen. Die Realisierung der Idee, sich nunmehr dreidimensional bewegen zu können (durch Wachstum zusätzlich in die dritte Dimension) ist verbunden mit dem Verzicht der Einzelbestandteile (der Zellen), sich individuell zweidimensional nach eigenem Entschluss bewegenzu können. Ein Verzicht auf der Ebene des Individuums führt also zu einem Gewinn an Bewegungsmöglichkeit auf der Ebene des lebenden Systems öherer Ordnung, das für sich jedoch wiederum eine Einheit im Sinne eines Individuums darstellt. Das Mehrzellerindividuum Pflanze ist also einerseits als Individuum die Realisierung der Idee des Wachstums im dreidimensionalen Raum (durch Wurzel- und Blattbildung usw.), andererseits tradiert es durch seine Fortpflanzung die Idee der Bewegung im zweidimensionalen Raum.
Diese Negation der Bewegungsidee materieller Körper wird nunmehr bei Pflanzenfressern dadurch negiert (=Negation der Negation), dass hier auch das Individuum im Gegensatz zur Pflanzenwelt die Fortbewegungesmöglichkeit im zweidimensionalen Raum hat. Das Tier kann in jede beliebige Richtung laufen oder stehenbleiben, hat also Bewegungsfreiheit, so dass die Idee der Indivuellen Bewegungsfreiheit geboren ist, die sich auch beim menschlichen Individuum findet. Auch das menschliche Individuum hat individuelle Bewegungsfreiheit auf der Ebene der Erde. Andere Tierarten haben sich bereits weitere Freiheiten erschlossen, nämlich die individuelle Bewegungsfreiheit in allen 3 räumlichen Dimensionen. Die Vögel können sich in der Luft in 3 Dimensionen frei bewegen, die Fische im Wasser. Während sich der Mensch zu Lebzeiten Hegels lediglich durch das Schiff (und die Eisenbahn ?) schnellere bewegungsmöglichkeiten verschaffen konnte, vermag er sich inzwischen durch das Flugzeug und das U-Boot ebenfalls in der Luft und im Wasser dreidimensional zu bewegen, allerdings auch vorher schin durch Grabungen in die Erde zur Förderung von Materie und Energie (Erzen und Kohle). Die Erschließung von Bewegungsmöglichkeite in 3 Dimensionen hat übrigens lange vorher bereits durch verschiedene Tierarten, die den Gliedertieren und den Insekten zuzuordnen sind, stattgefunden. Insekten beherrschen alle Bewegungsmöglichkeiten, haben also die Idee der freien Bewegung des Individuums in jede beliebige Richtung des Raums schon sehr lange verwirklicht.
Welche Idee könnte nun in der Entstehung der flischfressenden Tiere verwirklicht worden sein?
Nehmen wir als Beispiel ein fleischfressende Tierart und eine pflanzenfressende Tierart und stellen uns in einem Gedankenexperiment einmal vor, dass diese beiden Tierarten die einzigen auf der Erde wären, so stellt sich der Vorgang des Fressens der Beutetiere (=Pflanzenfresser) durch die fleischfressenden Tiere als direkter Akt einer Negation dar, was von Darwin als Selektion bezeichnet wurde. Die Bewegung lebender Systeme durch Vermehrung (Ausbreitung auf der Erdebene) und Wachstum sowie Bewegung im dreidimensionalen Raum wird begrenzt wurd die Gegebenheiten und Änderungen der nichtlebenden Materie, also den Wetter- und Klimaschwankungen und den Tages- und Nachschwankungen. Jedes lebende System der Ordnungshöhe Individuum muss mit den Schwankungen, die durch die Erdrotation um sich selbst (Tageszeiten) und die Kreisbewegung der Erde um die Sonne (Jahreszeiten) fertig werden, um zu überleben, und jedes lebende System der Ordnungshöhe Art muss zusätzlich mit langfristigen Klimaänderungen umgehen können, um zu überleben. Die Idee des Lebens bzw. des Überlebens, von der PhilS „Selbsterhaltung“ genannt, kann nur durch Veränderung realisiert werden, durch Anpassung, so dass die Idee der Selbsterhaltung dazu führt, dass immer die Arten überleben, die an die Bedingungen eine äußeren Realität angepasst sind. Diese Bedingungen der äußeren materiellen Realität schränken also die Lebensformen, also konkret die Ausbreitungsbewegungen lebender Systeme ein. Diese Einschränkung oder Begrenzung der Realisierung von Bewegungsformen – der Realisierung von Ideen lebender Systeme nennt Darwin Selektion.
Die Realisierung von Bewegungsideen pflanzlicher lebender Systeme erfolgt darüber hinaus durch den Energiebedarf pflanzenfressender Tiere und deren Ausbreitungsgeschwindigkeit wird nicht nur durch Wetter und Klima und Vorhandensein von Pflanzen, sondern zusätzlich durch neu auftretende fleischfressende Tiere begrenzt. Fleischfresser wirken auf pflanzenfresser selektierend ein. Die Fleischfresserart negiert (im Sinn der Negation Hegels) die Pflanzenfresserart durch den Fressakt, aber sie ist auch von der Existenz der Pflanzenfresser abhängig, weil je nach Reduktion der Pflanzenfresser ein gewisser Teil der Fleischfresser wegen Nahrungsmangel ausstirbt. Würde sie alle Pflanzenfresserindividuen auffressen, müssten alle Tierfresser aussterben. Als Selektionsvorgang betrachtet selektieren also auch die Pflanzenfresser ihrerseits die Tierfresser, was Hegel eventuell als Negation der Negation beschrieben hätte. Betrachten wir den Vorgang genau, bemerken wir, dass an sich gar nicht Individuen selektiert werden, sondern Eigenschaften, zum Beispiel die Bewegungsgeschwindigkeit (oder die Funktionsfähigkeit des Riechens oder Sehens usw.). Es überlebt nämlich im Fall der Jagd das schnellere Tier: rennt das Opfertier schneller, überlebt dieses und das jagende Tier stirbt den Hungertod, andersherum stirbt das gefressene Tier. Ebenso ist es mit dem Unsichtbarmachen und dem Sehen: Das Opfertier, das sich besser versteckt, Tarnfarbe annimmt, überlebt, auf der Seite der Fresstiere überleben die, die besser sehen oder das Opfertier in seinem Versteck besser riechen. Der Kampf ums Überleben, um die Selbsterhaltung, selektiert also Eigenschaften und verbessert diese im Verlauf der Evolution. Evolution ist also ein Prozess der Verbesserung von Eigenschaften, wobei die Individuen lediglich als deren Träger fungieren, die im Rahmen der Verbesserung dieser Eigenschaften vorübergehende „Versuchskaninchen“ sind. Auch die überlebenden Individuen müssen ja irgendwann sterben. Das „Ewige“, das sich hier entwickelt, sind also zunächst verschiedene Eigenschaften, die Vorteile im Überlebenskampf bieten. Die Selektionsmechanismen sind selbstverständlich im Menschenreich die gleichen, auch hier findet eine Negation von menschlichen Gemeinschaften dadurch statt, dass diese von anderen Menschengemeinschaften umgebracht oder anderweitig ausgemerzt werden, tatsächlich oder praktisch negiert werden. So ist es wohl den Neandertalern ergangen, den Kelten oder den Indianern Nordamerikas.
So könnte Hegel die Vereinigten Staaten von Amerika als Negation der Indianer darstellen.
Wie bereits dargestellt, geht es hierbei um die Selektion von Eigenschaften oder Fähigkeiten. Es geht um Schnelligkeit der Bewegung (der individuelle Löwe, der seine Gene weitergibt, ist schneller als die individuelle Gazelle, die er erjagd, die Gewehrkugel ist schneler als ein Pfeil), um Farbanpassung an die Umgebung, also um die Sehfähigkeit und deren Entwicklung, bei der Jagd und dem Überleben des Beutetiers geht es auch um die Riechfähigkeit usw.. Selektiert im Rahmen der Darwinschen Evolution werden also Fähigkeiten und Eigenschaften, egal mit welchen Mitteln diese verbessert werden. Eigenschaften und Fähigkeiten bedürfen zwar einer materiellen Grundlage, um realisiert zu werden, an sich handelt es sich hierbei jedoch nicht um die Materie selbst, deren Zusammensetzung im Verlauf der Evolution allerdings immer komplizierter wird, sondern es handelt sich bei den Eigenschaften (Farben) oder Fähigkeiten (Schnelligkeit) an sich um Ideen. Hegels Vorstellung der Entfaltung von Ideen im Weltprozess wird also durch die Evolution, die von Darwin erkannt und beschrieben wurde, tatsächlich bestätigt.
Bei dieser Evolution leben die ursprünglichen Ideen weiter. Selbst wenn eine Pflanzenart nicht mehr zu Anpassung an Klimaschwankungen in der Lage ist, geht die Idee der Energiegewinnung aus Sonnenlicht zum Zweck der zweidimensionalen Ausbreitung (Vermehrung) nicht unter, selbst wenn eine Tierart verhungert oder ausgerottet wird, überlebt die Idee der freien Fortbewegung im dreidimensionalen Raum, die totale Negation der eindimensionalen Bewegung rein materieller Objekte, die ihrerseits ebenfalls nicht untergeht, dadurch dass ihre Teile (Atome, Moleküle vorübergehend anders, nämlich für die Zwecke lebender Systeme, zusammengesetzt werden).
Die Besonderheit menschlicher Geschichte
Während es im Tierreich Verhaltenseigenschaften waren, die selektiert wurden und werden und sich dadurch immer mehr optimierten, sind es in der Menschheit geistige Eigenschaften.
Der Kampf zweier menschlicher Gemeinschaften gegeneinander stellt im Unterschied zum Kampf zweier Tierarten (oder der Konkurrenz dieser) eine innerartliche Auseinandersetzung dar. Dies bedeutet, dass die Sieger und die Verlierer sich miteinander fortpflanzen können (das ist das Kennzeichen einer Art: Individuen einer Art können sich miteinander fortpflanzen). Bei früheren kämpfen menschlicher Gemeinschaften gegeneinander waren es nun in der Regel die Männchen, die gegeneinander kämpften und sich möglichst ausrotteten, die Männchen der Siegergemeinschaften konnten jedoch die Weibchen der unterlegenen Gemeinschaft als Sexualpartner nutzen, so dass in einem derartigen Kampf zwar die unterlegenen männlichen Menschen überwiegend ausgerottet (oder als Sklaven verwendet) wurden, aber der Genpool der unterlegen Gemeinschaft überlebte in jedem Fall. Es ist daher in menschlichen Selektionskämpfen gleichgültig, welche Gemeinschaft unterliegt, da auch die genetisch gespeicherten Daten der unterlegenen Gemeinschaft überleben. Auch dies zeigt, dass hier nicht eine Selektion genetisch gespeicherter Eigenschaften vor sich geht, sondern etwas anderes, nämlich die Verbesserung geistiger Fähigkeiten.
Wir müssen an dieser Stelle einen kurzen Blick zurück werfen, auf die Speicherung der Ideen. Die Ideen, also die Fähigkeiten und Eigenschaften als solche, werden im Pflanzenreich und im Tierreich zunächst in Form eines genetischen Codes gespeichert, an die nächste Generation weitergegeben und dem individuellen Körper im Wachstumsprozess dem Gesamtkörper vermittelt. Die Wachstumsbewegung des lebenden Individuums stellt die Entfaltung der in den Genen gespeicherten Ideen dar. Hegel wusste noch nicht, wie die Ideen der Pflanzen und Tiere in diesen gespeichert wird, die Genetik, ein Zweig der Biologie, hat dies inzwischen aufgeklärt, so dass die PhilS sagt: das körperliche Größenwachstum des lebenden Systems der Ordnungshöhe Individuum stellt die Realisierung seiner intrazellulär mittels eines genetischen Codes gespeicherten Ideen dar. Diese Ideen stellen die Summe der Thesen und Antithesen dar, die sich in der Evolution bisherigen Lebens als erfolgreich im Sinne der Überlebens (der Selbsterhaltung) erwiesen habe. Diese kommen im Wachstumsprozess des Individuum zur Entfaltung. Das Individum ist also die Realisierung aller erfolgreichen Ideen vorangegangenen lebender Systeme. Welche der genetisch gespeicherten Eigenschaften und Fähigkeiten sich konkret realisieren, hängt jedoch von einem dialektischen Prozess ab, nämlich der Auseinandersetzung des Individuums mit seiner Umgebung, seinen Eltern, seinen Lehrern usw.. Dazu gäbe es noch viel zu sagen, was an anderer Stelle erfolgt.
Ebenso ist es nämlich mit den Eigenschaften und Fähigkeiten, die einem Genpool gespeichert sind, nämlich in einer Tiert (oder Pflanzenart). Die Konkurrenzkämpfe von Staaten um die Beherrschung eines Teils der Erdoberfläche sind – wie Konkurrenzkämpfe von Tierarten – ein Wettbewerb um die Frage, welche Ideen sich weiterhin entfalten und welche an der Entfaltung gehindert werden. Diese Konkurrenzkämpfe werden wirtschaftlich, aber auch militätrisch geführt. Im Unterschied zum Tierreich konkurrieren dabei nicht nur genetisch gespeicherte Ideen, denn diese sind im Grunde gleich, weil es sich um ein und dieselbe Tierart handelt, sondern es konkurrieren geistige Ideen. Dieser tautologische Aussage soll hier näher erläutert werden.
Während die Ideen des Pflanzen und Tierreichs begriffslos intrazellulär in Form eines genetischen Codes gespeichert und an die nächste Generation weitergegeben wurden, und in Form einfacher Anweisungen zum Bau von Proteinen an die Zelle und den lebenden Organismus, das individuelle lebende System, weitergegeben wurden, hat sich diese Speicherung und Weitergabe von Ideen beim Menschen radikal verändert.
Zunächst einmal haben die menschlichen Gemeinschaften verschiedene Begriffssprachen gebildet. Insbesondere optische Wahrnehmungen, Objekte und deren Bewegungen, also „Filme“, die sich in der Außenwelt der Individuen abspielten und abspielen, die sogenannte empirische Realität (Kant), wurde in Wortbegriffe übersetzt. Den gesehenen Objekten wurden gemeinschaftlich akustische Symbole zugeordnet, ihren Bewegungen ebenfalls. Daraus komunikativ gebildete „Sätze“ wurden anstelle der optischen, akustischen, olfaktorischen usw. Wahrnehmungen gesetzt. Diese Sprachbildung erfolgte natürlich in Gruppen, deren räumliche Ausdehnung von der Ausbreitung des Schalls bestimmt wurde. Da die Kommunikation über das gesprochene Wort erfolgte, also über Schallwellen, die nur in bestimmter Entfernung hörbar sind, bestimmte dies die Größe der Gruppe, die jeweild einer Sprachgemeinschaft angehörte. Ein weiteres Erfordernis muss erwähnt werden, nämlich das Gedächtnis. Zur dieser Entwicklung von Sprache gehört natürlich die Fähigkeit, das gemeinsam entwickelte Wort als Begriff für ein Objekt und einen Vorgang zu speichern. Für diese Speicherung hatte und benutzte der Mensch sein Hirn. Neben den intrazellulären (genetischen) Speicher für Ideen trat also das Hirn als neuer materieller Speicher einer abstrakten Idee. Geistiges benötigt zu seiner Realisierung und zu seiner Speicherung stets der Materie. Die Materie ist erforderlich zur Durchführung von Bewegungen im dreidimensionalen Raum, aber auch zur Speicherung von Ideen. Akustische Signale werden bereits im Tierreich zur Kommunikation verwendet, insofern ist die Sprache des Menschen keine neue Entwicklung. Sie ist jedoch, worauf besonders hingewiesen werden muss, nicht eine neue Eigenschaft des Individuums, sondern eine Eigenschaft der Gruppe. Die Gemeinschaft entwickelt Begriffe und setzt diese zu Sprache zum Zweck der Kommunikation zusammen. Das hat einen entscheidenden Nachteil, sie spaltet nämlich die Art Mensch in verschiedene Sprachgeminschaften. Verhalten wird über gemeinsame Sprache der Gemeinschaft koordiniert, was für die Jagd, also das Überleben der Gruppe, Vorteile hat. Aber auch in der Konkurrenz der verschiedenen Sprachgemeinschaften gegeneinander hat Sprache für jede Gemeinschaft diesen Vorteil, so dass die besseren Begriffe, die überlegene Sprache im Komkurrenzkampf der Sprachgemeinschaften selektierend wirkt. Sprache entwickelt sich dadurch sehr schnell und breitet sich aus. Typisch menschlich ist jedoch nicht die Sprache an sich, sondern die Fähigkeit, akustische Signale (Begriffe) in optische Signale, nämlich in Schriftsprache zu transformieren und damit körperextern speichern zu können. Genetisch gespeicherte Ideen können nur an die nächste Generation weitergegeben werden. Im Hirn gespeicherte (akustische Zeichen) haben den Vorteil, innerhalb einer (der gleichen) Generation weitergegeben werden zu können, aber mit dem Tod des Individuums werden sie gelöscht. Körperextern, auf Papier, Diskette oder Festplatte gespeicherte Daten überleben jedoch das Leben des Individuums. Damit hat der Mensch der Idee als solcher die Möglichkeit gegeben, auch ohne lebende Materie überleben zu können. Die Idee hat somit durch den Menschen Ewigkeitscharakter erhalten, vergleichbar mit der „Ewigkeit“ genetischer Speicherung. Nun hängt die genetische intrazelluläre Speicherung einer Idee von der Existenz von Leben ab. Wird dieses global ausgelöscht, stirbt die Idee als solche. Der Mensch hat inzwischen durch die Nutzung der Nuklearkraft die Möglichkeit, dies zu tun, er kann alles Leben auf der Erde auslöschen. Er hat die totale Allmacht über die Idee als solche erreicht. Gleichzeitig hat er auch die Speicherung einer Idee unabhängig vom Leben als solchem gemacht, indem er jede Idee auch außerhalb des lebenden Körpers zu speichern vermag. Der Mensch hat damit einen neuen Erbweg geschaffen und sich aus dem Pflanzenreich und dem Tierreich herausgehoben.
Mit Hegel gesprochen stellt also die körperexterne Speicherung von Ideen eine Negation der intrazellulären Ideenspreicherung dar und damit ist die Idee als solche durch den Menschen vom Leben als solche unabhängig geworden. Nun hat jede Idee nur einen Sinn, wenn sie nicht nur gesendet wird, sondern auch empfangen werden kann. Eine Idee, unabhängig und außerhalb eines lebenden Systems gespeichert, das die Fähigkeit der freien Bewegung im dreidimensionalen Raum hat, ist völlig sinnlos, wenn der Mensch alles Leben auf der Erde ausrottet.
Damit kommen wir zur Frage der Ethik.
Festzuhalten ist, dass die Vorstellung Hegels, dass die Geschichte der Menschheit eine Verwirklichung des Weltgeistes darstelle, durch die Evolution und die Zivilisation des Menschen bestätigt wird. Die Negation einer menschlichen Gemeinschaft durch eine andere verkürzt lediglich die sowieso zeitlich begrenzte Lebensdauer der Individuen, deren genetisch gespeicherten Eigenschaften überleben jedoch als intrazellulärer genetischer Code, der an die nächste Generation weitergegeben wird, vor allem jedoch überleben die Individuen, die ihre geistigen Fähigkeiten in bessere Waffentechnik umgesetzt haben.
Die überlegene Waffentechnik ist jedoch nur ein Ausdruck der überlegenen geistigen Fähigkeiten. Diese überlegenen geistigen Fähigkeiten kommen auch in den Fortschritten der Wissenschaft und Technik zum Ausdruck. In der Gegenwart würde sogar die Ausrottung der Menschheit durch den Menschen, die tatsächlich möglich geworden ist, nicht zur Ausrottung der Ideen führen, da diese auch außerhalb lebender Systeme gespeichert werden kann.
Kritik am menschlichen Verhalten
Die grundlegendste Kritik des hier praktisch geschilderten Verhaltens der westlichen Zivilisation ist eine moralische. Es werden nämlich nicht nur geistige Eigenschaften, die sich im wissenschaftlichen Vorgehen und in überlegener Technik und Waffentechnik manifestieren, selektiert bzw. durch den Vorgang von Negation und Negation der Negation verbessert, sondern auch bestimmte Verhaltenseigenschaften, wie Rücksichtslosigkeit, Gefühlskälte (mangelnde Empathie), am Höhepunkt dieser Entwicklung reichte schließlich eine Fingerbeugung aus, um mit Hilfe einer Atombombe 100.000 Menschen ohne Rücksicht auf deren Schuld auszulöschen, ohne dass der Täter das qualvolle Sterben seiner Opfer mit ansehen musste. Die Selektion im Menschenreich führt also nicht nur zu einem rational denkenden, sondern auch zu einem ethisch minderwertigen Menschentypus.
Gerade das hat sich jedoch in den letzten Jahren während des „kalten Krieges“ verändert. Bedauerlicherweise jedoch ist damit eine Rückkehr zu religiösen Glaubensinhalten verbunden, die unsinniger Weise mit humaner Ethik gleichgesetzt werden. Gefordert ist eine humane Ethik, die jegliche Anwendung körperlicher Gewalt verurteilt, wie sie auch immer begründet wird. Und die menschliche Geschichte zeigt nun leider, dass die Menschen im Erfinden von Gründen für die Ermordung ihrer Mitmenschen sehr kreativ sind und sich sehr häufig religiöse Motive für Massentötungsaktionen ausgedacht haben. In den letzten Jahren wird überhaupt noch selten von Krieg gesprochen, sondern von friedensstiftenden Aktionen oder vorbeugenden Angriffen zur Verhinderung eines Krieges.
Mangelnder Glaube an irgendwelche irrationalen Gottesvorstellungen wird in der umfasssenden Propaganda der westlichen Zivilisation als Beweis für Gewaltbereitschaft dargestellt und somit die Forderung humaner Rationalisten nach absolutem Verzicht auf Gewaltanwendung diffamiert.
Tatsächlich ergibt sich aus der Benutzung des Verstandes, wie Kant es in seiner Definition der Aufklärung bereits gesagt hat, eindeutig ein absoluter Verzicht auf physische Gewaltanwendung. Der „Kampf der Kulturen“ (Samuel Huntington) wird nicht durch Bomben entschieden, sondern durch die bessere Weltanschauung, mit der sich alle Menschen identifizieren können.
Kritik an der Evolution als „richtungslosem“ Vorgang
Es sei mir noch ein Wort der Kritik an den Vertretern der Evolutionstheorie gestattet, die die Evolution als „richtungslosen“ Vorgang ansehen. Dass sich noch nie Mehrzeller zu Einzellern zurückentwickelt haben, ist die Falsifikation dieser Behauptung. Die Tatsachen zeigen ganz offensichtlich, dass die Evolution zu einer ständigen Optimierung von Eigenschaften lebender Systeme geführt hat, zur Entwicklung immer neuer Eigenschaften (Gehfähigkeit, Flugfähigkeit) und zur Entwicklung geistiger Eigenschaften beim Menschen, die ihn aus dem Tierreich heraushebt. Die wesentliche Neuerung der Eigenschaften der Menschheit besteht nach Ansicht der Philosophie lebender Systeme (=PhilS) darin, dass der Mensch seine Erkenntnisse nicht mehr intrazellulär speichert, wie dies im Reich der Einzeller, der Pflanzen und der Tiere der Fall ist, sondern extrazellulär auf Papier, Disketten und anderen Datenträgern, so dass sie unabhängig von seinem Leben werden und allen Menschen zur Verfügung stehen. Dieser Prozess hat zu einer Entwicklung von Wissenschaften und Technik geführt, der als Zivilisation definiert wird, die sich in den verschiedenen Kulturen unterschiedlich äußert. Dieser neue Erbweg und die Benutzung zusätzlicher Organe (Hans Hass) berechtigen dazu, das Menschenreich als eigenes „Reich“ neben das der Einzeller, Pflanzen und Tiere zu stellen.
Rudi Zimmerman, Gesellschaftsphilosoph
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